
Warum machen wir eigentlich “systemische” Beratung?
von Martina Anzer und Christiane Räbiger, geschäftsführende Gesellschafterinnen der twinnovativ Managementberatung
Seit vielen Jahren steuern & begleiten wir Projekte und Teams mit dem systemischen Ansatz. Das taten wir zu Anfang intuitiv, nur wussten wir damals noch nicht, dass man unsere Vorgehensweise den systemischen Ansatz nennt. Die Prägung dafür erhielten wir bereits im Kindesalter von unseren Eltern, die ehrenamtlich in der Familienberatung tätig waren und dafür eine systemische Ausbildung hatten.
Martina Anzer: Schon bevor ich die Ausbildung zur systemischen Organisationsberaterin absolvierte, habe ich mich im Thema Organisationsentwicklung bewegt. Egal ob im Studium, in meiner Arbeit mit Kanzleien oder in der Industrie: Jedes Mal ist es ein anderer Ansatz und das macht die Thematik so spannend.
Christiane Räbiger: Die positive Psychologie, die mich im Studium der Wirtschaftspsychologie faszinierte, fußt auf ähnlichen Ansätzen. Wobei der systemische Ansatz intensiv die Wechselwirkungen und Einflüsse aufeinander berücksichtigt.
Warum haben wir eine systemische Managementberatung gegründet?
Viele Themen in der Weiterentwicklung einer Organisation hängen mit unterschiedlichen Systemen (Prozesse, IT-Systeme, Teams, Menschen, Standorte, Kultur etc.) zusammen und diese wollen und sollen als Teil der Lösungsfindung berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass man mit den richtigen Themen in der Weiterentwicklung beginnt und nicht ziellos einfach drauflosarbeitet.
Das systemische Denken ist der zentrale Ansatz in unserer eigenen Firma. Der Faktor Mensch entpuppt sich als Herausforderung, Symptom oder Ursache gleichzeitig.
Diesen Fokus Mensch haben wir leider nicht in unseren eigenen Karrieren erfahren dürfen und damit blieb immer ein weißer Fleck, der bei uns für Unbehagen gesorgt hat. Wir haben eine andere Erwartungshaltung an uns selbst, als es andere Berater haben. Wir möchten nicht nur punktuelle Lösungen für unsere Kunden liefern oder das Gefühl eines Tauchsieders (reingehen, aufwirbeln, rausgehen à still ruht der See) vermitteln. Uns ist es wichtig, ganzheitliche und nachhaltige Effekte im Unternehmen zu hinterlassen und den Kunden zu befähigen zukünftig selbstwirksam zu agieren.
Frei nach Ferdinand Porsche: „Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ So gründeten wir unsere eigene systemische Managementberatung mit den Menschen im Mittelpunkt.
Was bedeutet es in der Praxis, wenn wir im systemischen Ansatz vorgehen?
Ein Projekt im systemischen Ansatz aufzusetzen, berücksichtigt vielschichtige Dimensionen und ist stimmiger für die Beteiligten als ausschließlich klassische Projektmanagement-Methoden anzuwenden. Mit dem systemischen Ansatz ist es leichter Projektteams zusammenzustellen, Bedarfe in der Zusammenarbeit zu erkennen, interdisziplinäre Lösungen zu finden und gemeinsam langfristige Konzepte zusammen mit dem Kunden zu etablieren.
Wir lieben es, die Konsequenzen zu berücksichtigen, mehrdimensional und mehrschichtig. Wir denken die Aus- und Wechselwirkungen auf andere Systeme. Das können einzelne Menschen, Teams, Abteilungen, Prozesse, IT-Systeme, Kunden oder Lieferanten sein, wobei das nur eine kleine Auswahl von Beispielen darstellt. Wir bilden Hypothesen, was wir links und rechts berücksichtigen müssen.
Per Se macht die Komplexität die Projektarbeit herausfordernd. Für manche ist es abschreckend. Für uns wird es immer interessanter, je komplexer es wird. Trainieren Sie doch auch einmal Ihren Komplexitätsmuskel. Das hilft, mehrdimensional zu denken und zu handeln. Und es hilft beim geduldig sein und die Zeit auszuhalten, bis ein Effekt zu sehen ist.
Wir lieben es, uns mit verschiedenen Menschentypen auseinanderzusetzen. Fragt man 10 Menschen, bekommt man schätzungsweise 12 Meinungen und um die 100 verschiedenen Bedürfnisse. Verschiedene Menschentypen sind Tatsache und gleichzeitig Teil der Lösung.
Veränderung braucht Menschlichkeit
Das idealistische Bild eines Wirtschafts- und Leistungssystems sieht den Zusammenhang von Abhängigkeiten. Wir sollten mehr aufeinander achten und bewusster agieren. Das heißt, in Prozessen die vor- und nachgelagerten Schritte wahrnehmen und sich als Teil eines Systems erkennen.
Es gibt immer eine Abhängigkeit zwischen Ereignissen und Menschen. Die totale Unabhängigkeit würde uns zum Einsiedler werden lassen. Alles hängt mit allem zusammen. So ist das Geben und Nehmen gleichzeitig Wirtschafts‑, Beziehungs- und Finanzfaktor.
Viele reden über systemische Theorien. Die Kunst ist es, in die Umsetzung zu kommen und die Veränderungen in den Projekten durchzuziehen und im Unternehmen zusammenhängend zu berücksichtigen.
Veränderungen sind dann möglich, wenn man die Menschen einbezieht. Wenn man Veränderungen allein bearbeitet, ist an anderen Stellen eine Auswirkung zu bemerken, die für Irritation sorgen kann. Deshalb ist es sinnvoll zu überlegen, wer in dem Wechselspiel Teil der Lösungsfindung sein sollte.
Christiane: Was z. B. den allgegenwärtigen Fachkräftemangel betrifft, wünsche ich mir, dass Organisationen zukünftig in Human Assets investieren, nicht weil sie müssen, sondern weil es die beste Investition in die Zukunft ist. Ein Asset ist definiert als ein ‚dauerhaft dem Betriebszweck dienendes Vermögen‘. Was kann da wertvoller sein als die Menschen, die im und für das Unternehmen arbeiten?
Sehen wir einmal Weiterbildung im Sinne von Update. Die im Unternehmen eingesetzte Software bekommt regelmäßige Updates. Die Mitarbeitenden brauchen regelmäßige Weiterbildungen. Nur ist der Mensch durch das ganze Emotionsportfolio, das er mitbringt, viel komplexer. In vielen Unternehmen ist das Zeigen von Emotionen aber wenig akzeptiert. Der Leistungsanspruch ist hoch, aber die Emotionen sollen bitte an der Tür abgegeben werden? Nicht so im systemischen Ansatz. Dort ist der Mensch mit all seinen Facetten berücksichtigt.
Der systemische Ansatz wurde uns schon in die Wiege gelegt. Wir sind aus ganzem Herzen überzeugt, dass Veränderung nur mit den Menschen geschehen kann und unter Betrachtung der Wechselwirkungen von Menschen und Systemen. Vielen erscheint der systemische Ansatz zu komplex, doch wir sind überzeugt nur so entstehen nachhaltige Lösungen für eine enkelsichere Zukunft.